Maria und die Kirche

„Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land, aus ewigem Stein erbauet von Gottes Meisterhand.“ Fast jeder Katholik hat dieses Lied schon einmal gehört oder gesungen, welches die Kirche als Gründung Gottes selbst und deshalb uneinnehmbar auf festem Grund gebaut beschreibt.
Der Jesuit Joseph Mohr hat es 1876 in einer Zeit geschrieben, als Bismarck im Preußischen Reich den Einfluss der Kirche in Kultur und Politik bekämpfte und die Niederlassungen der Jesuiten aufgelöst waren. Manche meinen, er habe dabei das Bild der Kirche des Benediktinerklosters gewählt, die über seiner Heimatstadt Siegburg in der Nähe von Köln herabblickt. Das Lied passt aber nicht nur für die damalige Zeit, sondern zeigt sehr gut, wie die Kirche zu jeder Zeit unter den wechselnden geschichtlichen Gegebenheiten immer wieder neu im Vertrauen auf Gottes Hilfe mutig für die Verteidigung der Liebe und der Wahrheit Christi eintreten darf und auch soll.
Im Lied wird der Kampf unter anderem so beschrieben: „Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut, das Haus wird's überdauern, auf festem Grund es ruht. Ob auch der Feind ihm dräue, anstürmt der Hölle Macht, des Heilands Lieb und Treue auf seinen Zinnen wacht. Dem Sohne steht zur Seite die reinste der Jungfrauen; um sie drängt sich zum Streite die Kriegsschar voll Vertrauen.“
Maria als Jungfrau und Mutter im Kampfe, ist das nicht eine gewagte Formulierung? Nach 1970 wurden die Strophen des Liedes geändert, statt von einem Kampf wird nun lieber von einem „pilgernden Gottesvolk“ gesprochen: „Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit; er hält am Ziel der Zeiten dort ihm sein Haus bereit.“
Aber stellt nicht der Kampf für das Gute ein entscheidendes Merkmal jedes christlichen Lebens und der ganzen Kirche dar? Müssen wir nicht alle uns in diesem Kampf mit unserem Herrn Jesus Christus verbinden? Ist nicht dieser Kampf im Neuen Testament deutlich beschrieben? Und kommt nicht Maria in diesem Kampf auch eine bedeutende Rolle zu, die schon im ersten Buch des Alten Testaments angedeutet wird, als Gott von einer Feindschaft zwischen der Frau und der Schlange spricht und davon, dass der Spross der Frau - oder nach einer anderen Übersetzungsmöglichkeit auch die Frau selbst - der Schlange den Kopf zertreten wird (vgl. Gen. 3,15), was auch in der christlichen Kunst oft dargestellt wurde?
So ist es kein Wunder, dass sich die Jünger Jesu Christi zu allen Zeiten hoffnungsfroh um Seine Mutter Maria geschart haben und viele Kirchen und Kathedralen „Unserer lieben Frau“, nämlich Maria, geweiht haben. Inmitten der Kämpfe der Kirche führt sie die Menschen so zu Christus, die sich vertrauensvoll unter ihren Schutz begeben, wie schon das älteste noch bekannte Mariengebet aus dem 3. Jahrhundert belegt, das auch heute noch gern gebetet wird:

„Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin;
verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten,
sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren.
O du glorreiche und gebenedeite Jungfrau,
unsere Frau, unsere Mittlerin,
unsere Fürsprecherin.
Versöhne uns mit deinem Sohne,
empfiehl uns deinem Sohne,
stelle uns deinem Sohne vor.“

In den ersten Jahrhunderten ist zwar noch nicht viel von einer Verehrung Mariens überliefert, da in der Kirche das Augenmerk zunächst auf die klare Verkündigung des Lebens und Sterbens wie auch der Auferstehung Jesu Christi gelegt werden musste, als Sein Kommen in diese Welt als wahrer Gott und Mensch die eigentliche Herausforderung und Neuheit in der Verkündigung gegenüber der Welt von damals darstellte und eine zu große Betonung der Rolle der Gottesmutter schnell mit der damals verbreiteten Vielgötterei hätte verwechselt werden können. Der Lauf der Zeit, vor allem aber die Behauptung von Nestorius (von 428 – 431 Patriarch von Konstantinopel), dass Maria nur Christusgebärerin, aber nicht Gottesgebärerin genannt werden könne, führten aber bald zur Notwendigkeit der deutlichen Betonung der hervorragende Würde Mariens und auf dem Konzil von Ephesus 431 schließlich auch zur entschiedenen Verteidigung des beinahe unglaublichen Titels „Gottesgebärerin“, der schon lange, zumindest schon im 3. Jahrhundert verwendet worden war. In den folgenden Jahrhunderten ist dann die Bedeutung Mariens immer mehr gewachsen, besonders in Notzeiten, wo die Menschen die Braut des Heiligen Geistes besonders um ihren Schutz und Beistand angerufen haben!
Wie sollte die Kirche als Christi mystischer Leib nicht auch Seine Mutter, der Er sterbend am Kreuz Seinen Jünger Johannes als Sohn und damit auch alle Seine Jünger als Kinder anvertraut hat (vgl. Joh. 19,26), nicht in ihrer Mitte verehren und sich um sie scharen?
„Gegrüßest seist Du, voll der Gnade, der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes“ - diese Anrede Mariens und dieser Gruß ist schließlich nicht eine Erfindung später Jahrhunderte, sondern es ist der Gruß, mit dem der Erzengel Gabriel Maria anredete, und es sind die Worte, mit welchen Elisabeth sie begrüßte (vgl. Lk. 1,28.42).
Auch unsere eigene Zeit ist eine Zeit des Kampfes um die Wahrheit, in der wir uns besonders dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen sollen. Maria, die Braut des Heiligen Geistes, kann und will uns dabei helfen! Wenn wir auf unsere Kräfte schauen, erscheint uns jeder übernatürliche Kampf schnell aussichtslos und verloren angesichts der Macht des Bösen und der weit verbreiteten menschlichen Oberflächlichkeit und Lauheit, die eine ernsthafte Bemühung um die Wahrheit oft verhindern.
Mit allen Engeln und Heiligen, besonders aber mit der Hilfe und dem Schutz Mariens dürfen wir auch heute den Kampf für Christus wagen. Seit dem 14. Jahrhundert sieht sich die Kirche auch bildlich in vielen Kirchen unter den Schutzmantel Mariens gestellt. Diesen Schutz wollen und dürfen auch wir in unserer Zeit erflehen, indem wir in das Gebet der Kirche aller Jahrhunderte einstimmen:

Maria breit den Mantel aus,
mach Schirm und Schild für uns daraus,
lass uns darunter sicher stehn,
bis alle Stürm vorüber gehn.
Patronin voller Güte
uns alle Zeit behüte!

Dein Mantel ist sehr weit und breit,
er deckt die ganze Christenheit,
er deckt die weite, breite Welt,
ist aller Zuflucht und Gezelt.
Patronin voller Güte
uns alle Zeit behüte!

Maria, hilf der Christenheit,
zeig Deine Hilf uns allezeit,
mit Deiner Gnade bei uns bleib,
bewahre uns an Seel’ und Leib!
Patonin voller Güte
uns allezeit behüte!

(Kirchenlied aus Innsbruck, im 30-jährigen Krieg um 1640 entstanden)

Thomas Ehrenberger

 

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